NIKE-Bulletin 6/2011
Weggeworfen ? wiederverwendet
Aventicum, saubere Stadt?
Wie es auch für andere Themenkreise des täglichen Lebens der Fall ist, welche einst als trivial galten, liefern uns die antiken Texte keinerlei Informationen über die Hygiene der Städte und die Abfallbewirtschaftung. Ganz offensichtlich existierten aber für diesen Bereich Vorschriften und Regeln sowie «städtische Beamte», welche dafür zuständig waren. Die Verschmutzung im römischen Reich ist ein Segen für die Archäologie ? schliesslich bilden Abfälle den Hauptteil der Funde bei Ausgrabungen.
Abfall ist Rohstoff ? Wiederverwendung im ländlichen Hausbau
Ein in der Bauforschung sehr häufig zu beobachtendes Phänomen ist die Wiederverwendung von Bauteilen bis hin zu vollständigem Abbau, örtlicher Versetzung und Wiederaufbau. Dahinter stehen ganz verschiedene Gründe. Nicht immer wurden Entscheide zur Wiederverwendung von Baumaterialien frei getroffen, oft waren sie bedingt durch Notwendigkeit und Sparzwänge.
Glasrecycling bei den Römern
In römischer Zeit wurde Glas aus den Grundkomponenten Sand und Natron hauptsächlich im Nahen Osten hergestellt. Kalk war im Sand bereits vorhanden und musste nicht extra zugesetzt werden. Im Westen des römischen Reiches konnten bisher kaum überzeugende Beispiele für Primärglasproduktion gefunden werden, möglicherweise wurde in York (Grossbritannien) Rohglas fabriziert.
Recycling von Textilien
Textilien waren in früheren Jahrhunderten zu wertvoll, um einfach entsorgt zu werden. Sie wurden meist wiederverwendet bis es nicht mehr ging. Aus der Frühneuzeit gibt es verschiedene Beispiele von textilem Recycling. So wurden alte Gewebe etwa als Armierung im Ofenlehm verwendet. Häufiger jedoch sind Funde in Zwischenböden oder -wänden, die zur Isolation im Haus oder in der Burg beitrugen.
Vom Abfall zum Kulturgut
Jeder Gegenstand weist verschiedene Werte auf. Der Materialwert ergibt sich aus den Rohstoffkosten, den Kosten für die Rohstoffaufbereitung und einem Teil der Herstellungskosten. Als Gebrauchsgegenstand besitzt jedes Objekt einen Nutzungswert. Dieser besteht meistens in einer praktisch-technischen Funktion, oftmals kommt dem Objekt eine ästhetische Funktion, eine Repräsentationsfunktion oder die Funktion als Bedeutungsträger zu.
Vom Wert alter Steine
Die Wiederverwendung von Abbruchmaterial für einen Neubau hat lange Tradition. Schon seit der Antike wurden aufwändig herzustellende Bauglieder wie Säulen oder Kapitelle bewusst in Neubauten integriert und neu inszeniert. Beispiele für eine Wiederverwendung von Architekturfragmenten aus dem Mittelalter lassen sich vereinzelt schon im 17. Jahrhundert finden. Als im 18. Jahrhundert ein vermehrtes Interesse an der eigenen Vergangenheit erwachte, wuchs das Interesse an mittelalterlichen Bauteilen.
Die Bearbeitung der Abfälle in einem mesolithischen Abri, eine komplexe Angelegenheit?
Die prähistorische Archäologie betrachtet Abfälle als ein kapitale Informationsquelle, nicht nur zum technisch-kulturellen oder ökonomischen Bereich, sondern auch in einer räumlichen Perspektive. Ihre Dichte oder ihr Fundort in Bezug zu anderen Strukturen liefern nämlich Möglichkeiten, um Verhaltensphänomene zu erforschen.
Archäologie der Gegenwart?
Die Archäologie erst jüngst vergangener Epochen ist in etlichen europäischen Ländern gut etabliert, beispielsweise die Industriearchäologie. Dabei hat sich der Drang alles zu erhalten vermischt mit dem Willen alles zu beobachten. Trotz einiger Vorbehalte wird allgemein anerkannt, dass die Gesamtheit der menschlichen Vergangenheit archäologisch ist. Wie steht es aber mit der Gegenwart?