Städtebau oder: Massstäblichkeiten der Macht
Architektur war und ist eine der stärksten Ausdrucksformen von politischer und ökonomischer Macht, nicht nur in Bezug auf ihre Dimension und Grösse ? die elementarste Form von Machtausdruck ? sondern auch über ihre Form, Struktur oder Ornamentik. Architektur ist dann buchstäblich eine «architecture parlante», eine Architektur die über diese Attribute etwas «mitteilt» und deren Informationen von vielen verstanden werden.
Städtebau ist mehr als nur «grosse» Architektur, sie ist vor allem gestalteter Raum, in all seinen Dimensionen. Ist die Rolle von Architektur innerhalb von Machtdispositiven leicht zu verstehen und einzuordnen, fällt dies für den Städtebau schwerer: Die Kontrolle über die Architektur ist eine ganz andere als im Städtebau, wo unzählige Kräfte einwirken und zum Teil nicht kontrolliert werden können. Die Geschichte des Städtebaus ist demnach die Geschichte jener Kräfte, die hier zur Wirkung kommen, nämlich Politik, Kultur und Ökonomie. Und diese Geschichte oszilliert zwischen dem Ruf nach mehr Kontrolle und jenem nach laisser-faire.
Die 1876 formulierte Einschätzung des Kunsthistorikers Johann Rudolf Rahn, dass die Schweiz arm sei an höheren Werken der Kunst, wird zum Topos. Das Land wird mit den Attributen «Nüchternheit», «Mittelweg», «brauchbarem Durchschnitt» oder ähnlichen Charakterisierungen beschrieben, was vor allem auf das Fehlen einer aristokratischen Macht zurückgeführt wird, die entsprechende Architektur und Städtebau hätte hervorbringen können. Dies führt dazu, dass nach dem Zweiten Weltkrieg die Diskussion über Massstab und Grösse hierzulande viel Raum einnimmt. Bis hin zum Projekt Die Schweiz. Ein städtebauliches Portrait vom ETH Studio Basel, wo die gesamte Schweiz als eine einzige Stadt betrachtet wird.