Zeit und Zeitlichkeit in der computerbasierten Kunst der Schweiz
Überlegungen zur Alterung im Medium der Zeitlosigkeit
Das Digitale ist längst selbst zum Werkzeug und Gegenstand der kulturellen Erhaltung geworden. Zur gestalterischen Ebene der Zeit als Darstellungsgegenstand kommt die Aktualität der Wahrnehmung und die teils retrospektive Reflexion hinzu. Hier soll jedoch die Alterung betrachtet werden, die jenseits der ästhetischen Abfolge digitaler Zeitstile stattfindet.
Wie der Begriff Alterung nahelegt, reduziert sich der Erhaltungszustand digitaler Kunstwerke in der Regel nicht auf die binäre Option vorhanden/verloren. Alterungsbedingte Fehlstellen reichen von der fehlerhaften Darstellung der Inhalte über eingeschränkte Funktionalitäten bis zu Datenlücken. Teilweise lässt sich die Zeit mit technologischen Hilfsmitteln wie der Emulation künstlich zurückstellen. Auf alt-simulierten Geräten werden die Inhalte dann wieder darstell- oder abrufbar. Teilweise genügt die digitale Stabilisierung des Werkumfeldes. Hier kommt der Dokumentation am Objekt, die auf der Ebene des Programmcodes erfolgt, eine zentrale Rolle zu. Sie kommentiert lediglich den alt gewordenen Code an den degradierten Stellen, so dass der originale Programmtext vom Computer nicht mehr gelesen wird, obwohl er noch vorhanden ist.
Gerade aufgrund der digitalen Schnelllebigkeit gewinnen historisch gewordene, digitale Objekte heute wachsenden Wert. Da Ausfallerscheinungen im Digitalen ferner nicht notwendig einen Verlust bedeuten, sind Erhaltungsmassnahmen erforderlich, welche die Alterung respektieren und lesbar werden lassen. Dabei geht es auch um die Frage, wie eine sinnvolle Balance zwischen Selektion und erhaltender Überlieferung aussehen kann. Die Auswahl muss detailliert genug sein, um die relevanten Sachverhalte objektimmanent, also mithilfe der erhaltenen Daten, nachvollziehbar zu halten, während sie zugleich abstrakt genug sein sollte, um in guter archivarischer Tradition zu bewerten, d.h. auch auszusondern.
Bild: Johannes Gees