«Kulturerbe macht uns bewusst, dass wir Teil einer gemeinsamen Geschichte sind. Das ist wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.»
Interview mit Jean-François Steiert und Hans Widmer
Unser tägliches Leben wird von einer immer rascheren Veränderung von Werten, Rahmenbedingungen und gesellschaftlichen Strukturen bestimmt. In diesem Prozess kann Kulturgut eine wichtige Funktion erfüllen, beispielweise bei der Verankerung von Identität und zur Festigung sozialer Strukturen. Dazu braucht es aber neue, spezifische Denkmodelle über das Funktionieren und Potenzial von Kulturgut. Wie ist der Ansatz, Kulturgut als Ressource wahrzunehmen, aus Sicht der Politik zu bewerten?
Der ehemalige und der aktuelle Präsident der NIKE, alt Nationalrat Hans Widmer und Nationalrat Jean-François Steiert sind sich einig, dass Kulturgut eine wertvolle Ressource darstelle, wie es sich beispielsweise im Bereich des Tourismus ganz deutlich zeigt. Was die gesamtgesellschaftliche Bedeutung betrifft, stellt Hans Widmer fest, dass diese zu wenig bewusst wahrgenommen werde, da sie nicht klar definiert sei. Im gesamtgesellschaftlichen Diskurs sieht er zudem die Gefahr, dass Kulturgut als zu sehr vergangenheitsbezogen gesehen werde; wichtig sei, dass stets ein deutlicher Bezug zur Gegenwart bestehe.
Der gesellschaftlichen Verankerung von Kulturgut als Ressource steht, so Jena-François Steiert, das heute allgemein verbreitete, kurzfristig erfolgsorientierte Denken entgegen. Das beginne bereits in der Schule, wo Fächer wie Geschichte, Kultur und Gesellschaft immer weniger Stellenwert bekämen. Die darin vermittelte Sicht auf das Ganze sei aber zentral für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Diese Werte müssten wieder gestärkt werden. Die Schweiz blicke auf eine lange Geschichte ? das sei ein Reichtum, den man nutzen müsse, ohne die Gegenwart aus den Augen zu verlieren.
Grafik: Jeanmaire & Michel, Bern