Sind Tondokumente Kulturgüter?
Viele Tonaufnahmen fristen in Archiven, Bibliotheken und Museen ein trauriges Dasein. Die Bestände des 1913 gegründeten Phonogrammarchivs der Universität Zürich beispielsweise dokumentieren die sprachliche Vielfalt der Schweiz und stellen ein Kulturgut dar, das weit über die Grenzen unseres Landes hinaus von Bedeutung ist. Sie sind bisher noch nicht in das Memory of the World Register aufgenommen worden. Daneben gibt es viele Tonaufnahmen aus der Ethnologie, der Volksliedforschung, der Gegenwartsgeschichte etc., die auf eine angemessene Behandlung warten.
Die Anerkennung der Schallplattenproduktion als Kulturgut erfolgte zunächst 1938 in Frankreich. Heute gibt es in den meisten Ländern Europas und in Nordamerika gesetzliche Vorschriften, welche die Erhaltung und Verfügbarkeit der nationalen Schallplattenproduktion garantieren. In der Schweiz erfolgt die Ablieferung in die im Jahr 1984 entstandene Schweizer Nationalphonothek auf freiwilliger Basis. Da die Sammlung der Tondokumente, welche für die Kultur und Geschichte der Schweiz von Bedeutung sind, hier erst spät eingesetzt hat, besteht noch erheblicher Nachholbedarf.
Die Eigenproduktionen des Radios stellen sowohl von der Menge als auch von der Qualität her einen wichtigen Teil des nationalen Audiokulturguts dar. Bis heute bekunden aber die Radiounternehmen Mühe, ihre Rolle als Bewahrer von Kulturgütern wahrzunehmen. Eine eigentliche Archivpolitik entwickelte die SRG erst in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre. In dieser Zeit fand der Aufbau der Schweizer Nationalphonothek statt, und ab Anfang der 90er-Jahre, als Folge des ersten Radio- und Fernsehgesetzes, setzten die Vorbereitungen für die 1995 erfolgte Gründung von Memoriav, dem Verein zur Erhaltung des audiovisuellen Kulturgutes der Schweiz, ein.
Bild: Memoriav, Foto Rudolf Müller