Schadet Klimapolitik der Baukultur?
Dass das Klima eine Bedrohung für das gebaute Kulturgut darstellt, wurde als Problem unlängst erkannt. Vor Unwettern müssen nicht nur hochkarätige Bau- und Kunstwerke sondern auch einfache Siedlungen auf planerischer und politischer Ebene geschützt werden. Der Klimawandel birgt aber auch eine weniger direkte Gefahr für die Erhaltung der Kulturgüter: Die Veränderung der Baukultur.
Die Klimapolitik wirkt sich natürlich auf unseren Umgang mit dem normalen Baubestand aus. Die Fachleute der Denkmalpflege und die Architekten treibt dabei die Frage um, ob neue Energieverordnungen und energetischen Sanierungen sowie Nachrüstungen nun ein Segen oder eher ein Fluch für das «Bauwerk Schweiz» sind.
In zwei Punkten ist Kritik angebracht: 1. Während bei einzelnen Baudenkmalen massvolle Sanierungen fachmännisch betreut werden, besteht beim gebauten Alltag die Gefahr, dass durch die Klimaschutzmassnahmen nichts Geringeres als die Baukultur eines Quartiers, eines Ortes oder einer ganzen Region verloren geht. Die Vielfalt, materielle Eigenart und Physiognomie des historischen Baubestandes stehen hier auf dem Spiel.
2. Die Forderung nach Nachhaltigkeit darf sich nicht allein auf die Energiekosten als einziges Kriterium stützen. Bislang scheinen vor allem solche Sparmassnahmen gefördert zu werden, für die massenhaft neue Produkte hergestellt werden müssen. Dabei gilt es vielmehr, die langfristige Verträglichkeit in drei Bereichen sicherzustellen: Wirtschaftlichkeit, Umwelt und Gesellschaft. Es geht auch um den Respekt vor den Bauleistungen früherer Generationen, denn die gebaute Umwelt bedeutet Orientierung und räumliche Geborgenheit für die Bürger. Vor subventionierten Rundum-Erneuerungen des Gesamtgebäudebestandes nach einem einheitlichen Fitnessprogramm ist deshalb zu warnen.
Bild: Jeanmaire & Michel, Bern