Die Grasfasertapete der Villa Wagner in Friedrichshafen-Spaltenstein
Der Ingenieur und Unternehmer Josef Wagner (1903–1987) gründete nach dem zweiten Weltkrieg sein Unternehmen, das heute als «Wagner International AG» weltweit tätig ist. Da er und seine Frau keine Kinder hatten, gründete er die gemeinnützige «Josef-Wagner-Stiftung», die nach seinem Tode alleinige Erbin seines Vermögens wurde, darunter auch der Villa, die er und seine Frau 1965 in Friedrichshafen-Spaltenstein (Bodensee) von den Architekten Kurt Schliessmann und Klaus Sihler errichten liessen. Das Landhaus besticht durch seinen ungewöhnlichen Grundriss, der an Frank Lloyd Wright erinnert sowie durch seine aufwändige Innenausstattung. 2002 unter Schutz gestellt, wurde das Gebäude im letzten Jahr umfassend Restauriert. Besondere Beachtung fand dabei die Tapete aus Grasfasern, mit denen der Salon ausgekleidet ist.
Grasfasertapeten wurden um 1960 in Korea entwickelt und gelangten auf westliche Märkte, wo sie sich in den folgenden 20 Jahren grosser Beliebtheit erfreuten. Die Herstellung aus Arrowroot- und Wangkool-Halmen aus den Gebirgsregionen von Korea, China und Japan (heute werden auch Bast, Sisal oder Binsen verwendet) erfordert viel Handarbeit. Die Faserstränge werden zu Fäden zusammengeknotet und anschliessend auf dem Handwebstuhl mit Baumwollfäden verwoben. Das Gewebe wird dann auf Reisstrohpapier aufkaschiert. Dadurch wird jede Bahn zum Unikat. Die fertigen Bahnen werden entweder in ihrem grüngelblichen Naturfarbton belassen oder eingefärbt. Die seidig glänzenden, horizontal verlaufenden Grasfasern erzeugen einen schillernden Effekt und brechen die Materialität der Raumwände. Nach der durch ein Schweizer Team vorgenommenen Restaurierung erhielt der Salon der Villa Wagner wieder seinen ursprünglichen transparenten Charakter.
Bild: WAGNER Gruppe