Eine Kravattengeschichte
Gestreift, getupft, kariert, mit Pflanzen, Tieren, Sportgeräten versehen oder schlicht unifarben ? die Vielfalt der Kravattenstoffe ist unendlich. Sie verleiht ihrem Träger ? seltener ihrer Trägerin ? eine individuelle Note, weist allenfalls dezent auf Hobbys oder bestimmte Vorlieben hin oder kann gar zum eigentlichen Markenzeichen der Persönlichkeit werden. Damit spielt der bunte Binder in der modisch relativ eingeschränkten Herrenbekleidung eine immens wichtige Rolle ? seit Louis XIV. die Halsbinde zum modischen Accessoire erhoben hat. Angeblich hatte der Sonnenkönig das Kleidungsstück bei einer Truppenparade entdeckt. Die Reiter eines kroatischen Regiments ? aus croate wurde später cravatte ? sollen um den Hals Tücher getragen haben, die am Kragen mit einer Schleife befestigt waren und deren Enden über der Brust hingen.
Die Krawattenproduktion ist ein wichtiger Zweig der Schweizer Textilindustrie. Die Seidenweberei Gessner AG in Wädenswil (ZH), im Jahr 1841 gegründet, hat von 1891 bis 2001 unter anderem Krawattenstoffe produziert. Diese 110 Jahre Krawattengeschichte sind im umfangreichen Firmenarchiv dokumentiert; es umfasst 147 Musterbücher, gegen 50 000 Patronenzeichnungen und über 183 000 Stoffmuster. Im Mai dieses Jahres gelangte dieses bedeutende Archiv als Schenkung ins Schweizerische Nationalmuseum.
Insbesondere die Patronenzeichnungen führen in die Geheimnisse der technologisch komplexen Seidenweberei ein. Als Jacquardpatronen werden Zeichnungen auf Millimeterpapier bezeichnet, welche die Muster und Motive des Gewebes in vergrössertem Massstab wiedergeben. Damit wird der Stoffmusterentwurf in eine «technische Zeichnung» übertragen, mit Hilfe derer die Stoffe auf der Webmaschine hergestellt werden. Diese ungewohnte Sicht durch das «Aufblasen» der Motive zeigt Bilder von einer beeindruckenden Ästhetik.
Image: Schweizerisches Nationalmuseum