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Orientalisches Rohmaterial im Okzident veredelt

Glasscherben erzählen über den Material- und Know-how-Transfer vom Orient in den Alpenraum in frühmittelalterlicher Zeit. Die fragmentierten Flachgläser aus der merowingischen Friedhofskirche Sion-sous-le-Scex (VS) und dem karolingischen Kloster St. Johann in Müstair (GR) legen nach vertieften Studien beredtes Zeugnis von diesem Austausch ab. Denn die chemischen Analysen ergaben, dass die Gläser eine Zusammensetzung haben, die derjenigen von Gläsern aus dem östlichen Mittelmeerraum sehr ähnlich ist. In Müstair bezeugen Glasverarbeitungsabfälle, Glastesserae und Schmelztiegel eine lokale Glasverarbeitung in den frühen Bauphasen des Klosters. Den chemischen Befunden nach wurde das aus dem östlichen Mittelmeerraum stammende Glas (in Form von Rohglas oder auch Bruchglas) in diesen Werkstätten eingeschmolzen und zu farbigem Flachglas verarbeitet. In Sion-sous-le Scex, wo es bis anhin keine Hinweise auf Glasverarbeitung gibt, könnten auch Reste alter Thermenverglasungen oder importiertes Flachglas zur Herstellung der frühen Glasmalereifenster verwendet worden sein.

An den Apsiden und im Südannex der Kirche, im Plantaturm und in der Bischofresidenz von Müstair konnten früh- und hochmittelalterliche Fensteröffnungen bauarchäologisch nachgewiesen werden. Bei der karolingischen Heiligkreuzkapelle konnte jüngst ein differenziertes Bild gewonnen werden: In den ursprünglichen Fensteröffnungen verbliebene Holzrahmen und Reste von Bleiruten weisen auf die Montagetechnik und den Einbau der ornamentalen Fenster hin. Aus den vor Ort hergestellten, farbigen Glastafeln wurden geometrische und kurvilineare Formstücke herausgeschnitten. Diese wurden in Bleiruten gefasst und zu farbigen, von den Holzrahmen gehaltenen Glasbildern zusammengesetzt. Die intensiv leuchtenden Glasfenster dürften im Rauminneren wesentlich zur sakralen Wirkung beigetragen haben.


Bild: Archäologischer Dienst Graubünden, Bauhütte Müstair, Foto Jürg Goll

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