Landschaft ist Kultur
Betrachtungen zur Wahrnehmung und Nichtwahrnehmung der Landschaft und ihrer Werte
Landschaft besteht einesteils aus einem vorgegebenen natur- und kulturräumlich geprägten «objektiven» Raum. Zum anderen Teil konstituiert sie sich aus einem subjektiven Amalgam aus frühen Empfindungen und Eindrücken. Diese subjektive Seite hat auch einen kollektiven Anteil: Wir verbinden unsere Vorstellung von Landschaft mit einem aus unserer Kultur und Bildung übernommenen Vorrat an Bildern. So entsteht eine Beziehung zu einem Raum und einem Gemeinwesen, dem man sich zugehörig fühlt. Die so entstehende Qualität der Landschaft ist gleichbedeutend mit dem Wort Heimat.
Es besteht folgende Problematik: Alles, was die Qualität einer Landschaft ausmacht, lässt sich weder kartographisch noch mit Daten erfassen und letzten Endes gar nicht quantifizieren. Wenn wir das tun, zerrinnt uns die Landschaft wie Sand zwischen den Fingern. Landschaft ist wesensgemäss Qualität. Dass mit objektiven Messgrössen der Schwund, aber nicht das positive Wesen der Landschaft erfasst werden kann, macht es schwer, ihr in Politik, Wissenschaft, Forschung und Lehre ein adäquates Gewicht zu geben.
In der Rhetorik geniesst die Landschaft eine hohe Wertschätzung, die Präsenz der Landschaft als Werbeträger für alles Mögliche ist nicht zu übersehen. Die Realität sieht anders aus: Die wachstumsorientierte Wirtschaft und unsere Ansprüche verbrauchen Landschaft, anstatt sie zu gebrauchen. Ein Gegengift gegen diese zunehmende Ortlosigkeit könnte die Identität sein, sofern man darunter die psychosoziale Zugehörigkeit zu einer bestimmten, einmaligen und unersetzbaren heimatlichen Landschaft begreift. Darauf könnte ein neues Verantwortungsbewusstein der citoyens für «ihre Landschaft» gründen.
Bild: Jean-Pierre Anderegg