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Lust und Leid im Verborgenen: Schnürmieder und Korsett

Kein Wäschestück hat die Menschen Jahrhunderte lang so sehr in seinen Bann gezogen wie das Korsett. Im Rokoko wurde die Schnürbrust der erwachsenen Dame eigens von einem Schnürleibschneider gegen gutes Geld angefertigt. Einen perfekt sitzenden Schnürleib zu schneidern war eine Kunst, bestand er doch meist aus zehn oder zwölf einzelnen Teilen. In mehreren Stoffschichten aus festem Leinen wurden gekrümmte Eisenstangen oder krumm gebogene Fischbeinstäbe eingenäht, die den Leib wie einen Schraubstock einschlossen. Die drastische Abkehr vom Schnürmieder erfolgte mit der Französischen Revolution. Das Volk befreite sich von der Knechtschaft ? und vom Korsett.

Doch schon im Biedermeier bildete die eng geschnürte Sanduhrsilhouette das neue Idealbild. Die Schäden, die das radikale Schnüren verursachte, blieben nicht aus. Die Auflistung der Gebrechen war lang und niederschmetternd: von Atemnot und Herzbeschwerden über Blutarmut und Wandernieren bis hin zu Lageveränderungen innerer Organe. Als Reaktion auf die herrschende Mode der Jahrhundertwende kam die Reformkleidbewegung in Gang. Der endgültige Verzicht auf das Korsett folgte schliesslich in den 1920er-Jahren. Das Korsett wurde von Büstenhaltern, kleinen Unterhosen und Unterhemdchen verdrängt. 1947 stellte Christian Dior seine neue Kollektion vor, die unter dem Namen «New Look» Weltruhm erlangte. Um Diors figurbetonte Mode tragen zu können, war aber wieder ein Korsett vonnöten.

Dass die Traumfigur heute nach wie vor ganz oben auf der Wunschliste der Damenwelt steht, beweist der Boom von schlauchartiger synthetischer Formwäsche namens «Shapewear». Vielleicht ist das Korsett auch in den letzten Jahrzehnten durch eine körperbetonte Fitnessbewegung abgelöst worden, die den eigenen Körper und die Muskeln in narzistischer Weise trainiert und stählt.

Bild: Bildarchiv Münchner Stadtmuseum

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