Feste: Rhythmus des Lebens
Das Fest hat verschiedene Funktionen. Es gliedert zuerst einmal unseren Lebenslauf. Von der Geburt bis zur Beerdigung werden die wichtigen Einschnitte des Lebens, in denen wir einen anderen Status erhalten, mit Feiern und Festen begangen. Diese Feste versichern uns auch jedes Mal der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, sei diese religiös, familiär, altersbezogen oder sozial, und definieren den Rahmen, in dem wir leben. Im Laufe der Zeit haben sich diese Feste verändert, so sind etwa Hochzeiten oder Beerdigungen, früher Anlässe ganzer Dörfer oder Nachbarschaften, heute zu weitgehend privatisierten, intimen Anlässen im Familien- und Freundeskreis geworden. Aber auch jedes einzelne Jahr ist in eine ganze Reihe von Festen unterteilt, viele von ihnen religiös bestimmt.
Mit der Aufklärung entstanden die Festformen einer republikanischen und bürgerlichen Gesellschaft. Bestrebungen, alte Bräuche durch Pflege vor dem Untergang zu retten, setzten ein. Alphirtenfeste mit Steinstossen, Schwingen, Alphornblasen und Jodel bilden eine solche Festform. Schlachtjahrzeiten verbreiteten mit ihren Festspielen mythische Geschichtsvorstellungen.
Feste und Feiern helfen dem Individuum wie der Gesellschaft, den sie umgebenden Alltag zu bewältigen, indem sie ihn für eine gewisse Zeit aufheben oder indem sie ihm Sinn zuschreiben. Heute bieten Ferien und Freizeit Alternativen zum Fest an. Sie betonen jedoch die individuelle Freiheit, nicht den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das Fest erhält seine gesellschaftliche Bedeutung durch die Komplementärfunktion zur alltäglichen Existenz. Wird die Eventkultur so umfassend und pausenlos, dass sie Bestandteil des täglichen Lebens ist, lassen sich die wesentlichen Funktionen der Sinngebung oder des Abschaltens, nicht mehr erfüllen.
Bild: Katri Burri/Iren Stehli