Patina - die feine Haut der Dinge
Patina macht die vielfältigen Aspekte der durchlebten Vergangenheit von Dingen sicht- und auf direkte, sinnliche Weise erlebbar. Echte Patina entsteht nur mit der Zeit. Die verschiedenen Stoffe, aus denen die Dinge bestehen, benötigen bestimmte Bedingungen, um den ihnen angemessenen Alterungsprozess durchlaufen zu können.
Zeit, Klima, Nutzung und Pflege, Respekt und manchmal Verehrung sind die notwendigen Voraussetzungen zur Entstehung von Patina. Auch die Hersteller der Objekte kannten das Alterungsverhalten des verarbeiteten Materials und die optischen Auswirkungen der traditionellen Pflegeweisen: Das sachgemäss gepflegte Objekt mit seiner Patina entspricht dem Gestaltungswillen des Herstellers. Nur Respekt und sachgemässe Pflege bewahren ihre kostbare und fragile Integrität. Stärkere Spuren können Nutzungen hinterlassen, beispielsweise wenn durch dauerndes Abschaben Material entfernt wird. Das ideale Gleichgewicht von Alterungs-, Pflege- und Gebrauchspatina ist die Voraussetzung für die harmonische, lebendige Gesamterscheinung des historischen Objektes und seiner optimalen Lesbarkeit.
Die obgenannten Qualitäten sind nicht nur intellektuell in ihren Einzelaspekten ablesbar, sondern kondensieren sich im Begriff der erlebbaren «Stimmung», die ein Objekt insgesamt ausstrahlt. Patina ist dabei der entscheidende Vermittlungsfaktor in der Mensch-Objekt-Beziehung. Was für Einzelobjekte gilt, muss in gesteigertem Masse als Beurteilungskriterium für historische Intérieurs herangezogen werden, die nie original erhalten sondern fast immer zurückführende Interpretationen sind. Zum glaubwürdigen – und genussreichen – Erlebnis werden sie erst, wenn sich ihre Bestandteile zu einem stimmungsreichen «Konzert» der Patina-Oberflächen verbinden, das den Genius loci einzufangen und dem Eintretenden unmittelbar nahe zu bringen vermag.
Bild: Pascal Hegner, Solothurn