„…erstrahlt in neuem Glanz“ – gelungene Restaurierung oder Täuschung?
In der Wahrnehmung von Kulturgut kommt der Authentizität grosse Bedeutung zu. Welche Ergänzungen und Ausbesserungen sind bei einem Gebäude möglich, ohne seine Echtheit und seinen Denkmalwert als Kulturerbe zu beeinträchtigen? Gewisse Oberflächenbeläge, etwa Anstriche, kann man als Gebrauchsschichten bezeichnen. Ihre Erneuerung ist in der Denkmalpflege prinzipiell akzeptiert. Die Meinungen gehen aber auseinander, wenn es sich beispielsweise um einen Verputz handelt, der keine originale Oberfläche mehr zeigt, keine Spuren der Maurerkelle trägt, mit denen er aufgetragen wurde, sondern lediglich verwitterte Mörtelmasse ist. Soll man ihn nicht nach traditioneller Art ersetzen dürfen? In welcher Form soll die Oberfläche von Kulturgut überliefert werden, um ein gültiges geschichtliches Zeugnis zu sein?
Handelt es sich um Quadersteine, so kommt die Oberfläche des Rohstoffes selber ins Spiel, die durch das Zurichten und Behauen des Blocks geprägt ist. Heute allerdings liefern Steinbrüche gesägte und vollkommen glatte Blöcke. Für das Einsetzen in altes Mauerwerk werden solche Stücke vom Steinmetz überarbeitet. Das bedeutet, die Oberfläche mit den Spuren eines traditionellen Werkzeugs zu schmücken für einen rein ästhetischen Zweck, und ohne Bezug zur Herstellung. Die ursprünglichen Behauspuren tragen entscheidend zum Denkmalwert eines Bauwerks bei. Auch eine stark verwitterte Fassade zeugt noch vom Weg des Bauwerks durch die Geschichte. Aber welches Mass an Verwitterung ist man bereit zu akzeptieren? Das hängt individuell vom Blick auf das jeweilige Objekt ab. Die Mehrheit der Kulturgüter befindet sich nicht in einem fortgeschrittenen Stadium des Verfalls. Aber ist ihre Oberfläche noch authentisch? Wie viele Fassaden wurden in den letzten 150 Jahren nicht gereinigt, überarbeitet und neu behauen. Heute kann man feststellen, dass tendenziell vermehrt eine grösstmögliche Erhaltung alter Oberflächen angestrebt wird. Die Verantwortlichen von Restaurierungen wagen es immer mehr, der Öffentlichkeit historische Fassaden mit ihren Narben und Flecken zu präsentieren.
Bild: François Guex, Fribourg